Vorstiegskurswoche mit Erich Resch vom Alpinzentrum Rosengarten

Hinweis (muss sein in öffentlichen Medien): Es handelt sich hier um einen Erfahrungsbericht. Nachahmung erfolgt auf eigenes Risiko. Ich übernehme keine Haftung für etwaige Unfälle und Schäden. Gleiches gilt für die Äußerungen und Methoden von Erich Resch, die ich aus meiner Erinnerung wiedergegeben habe. Herr Resch ist nicht verantwortlich für diesen Inhalt.

Ich will kein Gelaber, zeig mir die Fotos!

Im Juni 2010 bin ich mit Erich zwei Routen im Nachstieg geklettert. Beeindruckt von seiner Professionalität wollte ich noch mehr von ihm lernen und so landete ich Anfang September wieder im schönen Welschnofen für eine Vorstiegskurswoche (fünf Tage).

Vorsteigen in den Dolomiten ist die verschärfte Art, sich in Kletterrouten zu bewegen. In den Schwierigkeitsgraden III-IV, in denen wir unterwegs waren, muss man immer selbst absichern. Hier und da gibt’s Normalhaken an den Standplätzen und zwischendrin. Es gibt so gut wie nie gebohrte Zwischensicherungen und nur selten gebohrte Stände, speziell im Rosengarten überhaupt nicht. Wenn die Locals in einer klassischen Route einen Bohrhaken finden, ist er gleich wieder draußen.

Da wird der Plaisirkletterer erst mal anständig zurechtgestutzt. Wer in den Dolomiten klettern gelernt hat, hat es überall sonst leichter. Hier ist das Klettern ursprünglich und abenteuerlich – und gefährlicher. Von einem Meister seines Fachs gelehrt zu bekommen, wie es richtig gemacht wird, ist eine Erfahrung, die ein Leben lang hält.

Zum Ablauf der Woche:

Wir waren drei Gäste (Simone, Tobias und ich). Das ergab zwei Seilschaften. Simone & Erich, Tobi & ich. Erich steigt immer voraus und der zweite Vorsteiger folgt ihm. Das ist für Ausbildungszwecke eine gute Methode. Erich legt die Zwischensicherungen anfangs alle, später immer weniger. Standplätze sind Chefsache. Das ist auch gut so, denn die Sicherheit der Gäste liegt in seiner Verantwortung. Die Konstruktionen in den Routen werden jedes mal im Detail besprochen und begründet.

Nachfolgend beziehen sich die Routennummern auf die Kletterführer „Klettern im Rosengarten und Umgebung“ und „Klettern in Cortina d‘Ampezzo“ von Mauro Bernardi.

Tag 1

Das Wetter war morgens grausig. Hagelschauer und Gewitter trieben uns erst mal zum Kaffeetrinken. In der kleinen Kletterhalle in Welschnofen hat Erich dann erst mal geschaut, was die Kundschaft so kann und uns dann den Standplatzbau gezeigt und üben lassen. Dabei kam es ihm auf wenige, einfach auszuführende Konstruktionen an, mit denen man immer klar kommt. Die Reduktion auf das Wesentliche ohne Bling Bling ist sowieso Erichs Devise. „Je mehr Zeug du mitschleppst, desto mehr musst du überlegen und machst Fehler“. Bei Erich bestehen Standplätze deshalb fast immer aus geknoteten Kevlarschlingen. Dieses Material ist in Deutschland nicht sehr populär. Dabei ist es an Universalität nicht zu übertreffen. Einhändig gefädelte Sanduhrschlingen (probier das mal mit einer Dyneema!), mit Paketknoten abgespannte Kräftedreiecke, Reihenschaltungen, alles geht damit. Ich habe mittlerweile auch zwei von den Dingern und es werden noch welche dazu kommen.

Am Nachmittag kam die Sonne raus und wir konnten im Klettergarten unterhalb der Rotwand noch etwas die Finger lang ziehen.

Tag 2

Sockel und Südkante des Fensterlturms (III-IV, 3+3 SL, 90+65 Klettermeter, Rosengarten 78, 77).

Schöne, nicht zu schwere Kletterei mit teilweise bereits psychisch (für mich jedenfalls) beanspruchenden Passagen im 3er Grad, wo ein Sturz auf jeden Fall unangenehme Folgen hätte. Die lückenlose Absicherung ist eben nicht immer möglich! Erichs Ratschlag: „Anstatt an einer unangenehmen Stelle verzweifelt eine Sicherung legen versuchen, ist es besser, konzentriert und ruhig ein, zwei Kletterzüge weiter zu gehen. Besser als in einer wackeligen Position beim Herumhantieren einen Abflug zu riskieren“.

Am Einstieg hat es leicht die Schneeflocken runtergerieselt und am Grat hat ein eiskalter Wind gepfiffen. Erschwerte, alpine Bedingungen. Es wird alles geboten J

Tag 3

Teufelswand Ostwand, Variante der Gross-Führe (8 SL, 200 Klettermeter, bis IV, Rosengarten 71).

Diese Tour bin ich in einer anderen Variante mit Erich schon geklettert und so bildete ich mir ein, dass es schon nicht so wild wird. Von wegen. Anfangs ging’s noch sehr gut, aber in einer Seillänge habe ich zweimal den totalen Scheiß fabriziert und mich mit Gewurstel rausgerettet. Erich schüttelte den Kopf und hat mir wegen meiner panischen Unbelehrbarkeit („Wenn i dir sag, dass links was isch, dann schau halt!“ „Ich hab’s nicht gesehen“ „Du musch dir was sagen lassen!“ „Ich wollt aber möglichst schnell da weg“ „Du musch mehr Geduld haben!“) mit Recht einen auf den Deckel gegeben. Mit meiner Moral war’s dann jedenfalls erst mal vorbei und ich überließ dem unverzagten und quietschvergnügten Tobias die schwierigeren Seillängen. Dann hat’s mir im Nachstieg auch noch eine ganze Felsrippe rausgerissen, die fest zu sein schien. Die hatte ich dann im Seil hängend immer noch in der Hand.

Da bist dann erst mal bedient!

Tag 4

Kleiner Lagazuoi Westwand, Pfeilerweg (7 SL, 200m Klettermeter, bis IV+, Cortina 104)

Aus der Erfahrung vom Tag vorher war geklärt, dass die schweren Seillängen der Tobias vorausgeht. Ich musste ihn nicht lang bitten, es hat ihm Freude gemacht. In dieser Route kann ich mich an einen einzigen Haken erinnern. Der Rest bestand aus Sanduhren (dafür massenweise) und Rissen, in denen Klemmgeräte versenkt wurden. Der Fels ist sehr fest und zuverlässig bis zur letzten SL, da wird’s bröseliger. Der Stress vom Vortag war noch nicht ganz verdaut, aber mit mehr Ruhe und Besinnung ging es nun schon viel besser. In einer Seillänge hat Erich sich für Simone eine Variante ausgesucht und Tobi und ich durften mit dem Topo in der Hand die Originalführe suchen. Das hat auch gut funktioniert, wenn auch das Tempo gleich merklich sinkt, wenn plötzlich niemand mehr da ist, der einem den Weg zeigt. Die Route war nur durch Felsstrukturen zu lesen, es gab keine Haken zur Orientierung.

Der Abstieg ist zünftig alpin auf einem ausgesetzten Band. Ich Trottel hatte auch noch meine Zustiegsschuhe unten vergessen. Autschi.

An diesem Tag war jedenfalls für mich klar, dass in den Dolomiten meine Vorstiegskünste erst mal auf III+ / IV- beschränkt werden. Schwierigeres nur nach genauem Studium der Route. Ein IVer in den Dolos ist was völlig anderes als im Klettergarten. Die Grundregel „Zwei Grade unter Maximalniveau“ gilt für mich uneingeschränkt! Das sind keine Plaisierrouten dort.

Tag 5

Gulia del Rifugio, Südkante (6 SL, 165 Klettermeter, bis IV+, Rosengarten 11)

Tobias war schon unterwegs in die Schweiz zum Hochtouren gehen, und so beschlossen Simone und ich, uns von Erich zum Abschluss noch eine feine Route führen zu lassen. Was in den Dolomiten alles als Vierer durchgeht! Der Einstiegskamin hat mich anständig geschlaucht. Die Route ist abwechslungsreich. Kamin, Botanik, Quergänge, Reibungsplatte, Risse, Verschneidungen, Abseilfahrt, alles vorhanden. Wie immer nur sporadisches Antreffen von Normalhaken, die von Erich gekonnt mit Kevlar verknotet wurden.

Zum Schluss ließ uns Erich an einem Felsklotz dann noch Haken schlagen und Friends legen üben.

Fazit

Eine sehr intensive, anstrengende und lehrreiche Woche! Erich Resch ist ein Original und alpines Vorbild wie kaum ein anderer. Seine Pädagogik ist eher rustikal-direkt. Sätze wie „Hermann, ich möchte, ...“ wird man nicht zu hören bekommen. Als diskussionsfreudiger Akademiker, wie ich einer bin, verschiebt man das detaillierte Palaver über das warum und wieso auf einen geeigneten Moment, z.B. bis zum Kaffee trinken nach der Tour. In der Route ist nicht der geeignete Augenblick dafür. Zuschauen, zuhören und aufnehmen ist hier das Richtige. Jemand der hunderte von Gästen sicher den Berg hinauf und hinunter bringt, weiß wie es richtig gemacht wird. Darauf kann man sich verlassen.

Man wird von Erich nicht in Watte gepackt. Er lässt einen weitgehend selbständig klettern in den Routen. An schwierigen oder kitzligen Stellen passt er genauer auf und hilft beim Griffe und Tritte suchen. Das macht er bevor man überhaupt merkt, dass es eine schwierige Stelle wird. Auf diese Weise ist die Erfahrung realistisch, das Nervenkostüm wird aber nicht ganz so stark belastet, als wenn man die Tour in Eigenregie gehen würde.

Worauf es wirklich ankommt, wird einem beigebracht. Klarheit in der Organisation, Reduktion auf das Wesentliche, Effektivität und schnelles Arbeiten am Standplatz, Konzentration, Ruhe und Besonnenheit beim Klettern, sich zurechtfinden im Gelände. Das ständige Mahnen zur Beeilung schlaucht anfangs („Ihr werdet’s mich heute dafür hassen, aber später dankbar sein, weil ihr nicht in der Nacht absteigen müsst“), aber auch das ist eine der vielen Lehren, die man nicht aus Büchern, sondern nur von einem Profi vermittelt bekommt.

Tipps zur Ausruestung